»Meisterwerk« oder »Miese Masche«?

Der große Report zum Autoren-Betrug

Stell dir vor: Du öffnest dein Postfach und da ist sie – eine E-Mail, die dein Buch als »literarisches Meisterwerk« feiert. Ein »Agent« oder »Verlag« ist begeistert. Dein Ego macht einen kleinen Hüpfer. Endlich!

Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.

Wir alle bekommen diese E-Mails: Dubiose Angebote für Marketing, Übersetzungen oder die Vorstellung in einem »exklusiven US-Buchclub«. Zeit für die Frage: Ist das nur unprofessionell oder steckt da mehr dahinter?

Ich habe das Phänomen  einer genauen Analyse unterzogen. Die klare Antwort lautet: Das ist nicht nur dubios, das ist handfester, organisierter, internationaler und hochentwickelter  Betrug.

Damit ihr nicht darauf hereinfallt, habe ich diese Betrugsmasche für euch zerlegt. In diesem Artikel lernt ihr die drei wichtigsten Dinge:

  1. So funktioniert die Masche (Der perfide 3-Phasen-Verkaufs-Funnel)
  2. So erkennt ihr sie (Das Rote-Flaggen-Handbuch für Autoren)
  3. So wehrt ihr euch (Der 3-Stufen-Aktionsplan)

Teil 1: So funktioniert die Masche – Die 3-Phasen-Falle

Was wie ein Zufall aussieht, ist ein präzise kalibriertes System. Die Täter nutzen einen 3-stufigen Verkaufs-Funnel, der gezielt unsere Autoren-Psyche angreift.

Phase 1: Der Köder (Das »Ego-Marketing«)

Die erste Mail ist der Köder. Sie ist gefüllt mit übertriebenem, aber vagem Lob für dein Buch. Es wird als »literarisches Juwel« oder »Meisterwerk« bezeichnet.

Das Wichtigste: Der Absender hat dein Buch niemals gelesen. Es sind Copy-and-Paste-Textbausteine.

Das Ziel: Dein Ego kitzeln. Die Betrüger wissen, dass wir für Schmeicheleien empfänglich sind. Sie wollen dich zu einer Antwort verleiten. Jede Antwort – selbst eine höfliche Nachfrage – markiert dich in deren System als »aktiven Lead«.

Phase 2: Der Anker (Die »Marktanalyse«)

Sobald du geantwortet hast, bist du in Phase 2. Jetzt wird es scheinbar professionell. Du erhältst eine »Marktanalyse«, eine »Potenzial-Prüfung« oder eine »Bewertung« für dein Buch.

Diese Analyse ist natürlich komplett gefälscht. Sie wird dir phantasmenhafte Zahlen präsentieren (»Ihr Buch hat ein Umsatzpotenzial von 200.000 €« oder »Wir sehen einen Markt von 50.000 Lesern«).

Das Ziel: Ein psychologischer »Anker« (Anchoring Bias). Diese fiktive, aber extrem hohe Zahl wird in deinem Bewusstsein verankert. Warum? Damit die Forderung in Phase 3 winzig erscheint.

Phase 3: Der Abschluss (Das »Investment«)

Nachdem der 200.000-€-Anker sitzt, kommt das eigentliche »Angebot«.

Man bietet dir an, dieses riesige Potenzial freizuschalten. Du müsstest nur ein »kleines Investment« tätigen, um die Kosten zu decken. Meistens eine vierstellige Summe: 2.000 €, 3.000 €, manchmal auch »nur« 800 €.

Dafür erhältst du wertloses »Junk-Marketing«:

  • Eine Pressemitteilung an einen veralteten E-Mail-Verteiler.
  • Social-Media-Posts an Accounts, die nur aus Bots bestehen.
  • Einen Eintrag in einen »Messekatalog«, den niemand liest.

Das Geld ist weg. Die Leistung ist wertlos. Das ist kein »Marketing«, das ist klassischer Vorschussbetrug.

Teil 2: So erkennt ihr sie – Das Rote-Flaggen-Handbuch

Die Betrüger werden professioneller, ihre Websites sehen schick aus. Aber sie machen Fehler. Achtet auf diese roten Flaggen. Wenn auch nur eine davon zutrifft: Finger weg und E-Mail sofort löschen.

Hier sind die 7 Todes-Flaggen des Autoren-Betrugs:

1. DIE GOLDENE REGEL: Das »Investment«

Das ist die universelle und wichtigste Regel von allen. In der legitimen Verlagswelt (und bei seriösen Agenturen) fließt Geld IMMER zum Autor (als Vorschuss oder Tantiemen). Der Verlag investiert in dich.

Sobald ihr Geld im Voraus zahlen sollt – egal ob für Marketing, Lektorat, Druck oder »Repräsentation«: STOPP. Das ist ein Betrug.

(Wichtige Klarstellung für unsere Lektorats-Kollegen: Natürlich ist es legitim, Dienstleister wie freie Lektoren, Coverdesigner oder Coaches zu bezahlen. Der Unterschied ist: Das ist eine Dienstleistung, die ihr gezielt und bewusst beauftragt. Beim Betrug kommt das Angebot unaufgefordert und tarnt sich als »Verlagsinteresse« oder »Marketing-Deal«.)

2. Unaufgeforderter Kontakt (»Out-of-the-Blue«)

Echte Agenten und Verlage sind mit Manuskripten überlaufen. Sie haben keine Zeit, per Kaltakquise-Mail im Internet nach Self-Publishern zu fischen. Jeder unaufgeforderte Kontakt, der euch das Blaue vom Himmel verspricht, ist zu 99,9 % ein Scam.

3. Die Absender-Adresse (@gmail.com)

Kein seriöser Verlag, keine Agentur und kein »Marketing Hub« schreibt euch von einer kostenlosen E-Mail-Adresse. Wenn der Absender random.agent@gmail.com oder publishing.consultant@hotmail.com lautet, ist es ein Betrug.

(Kleiner Fail am Rande: Die Betrugs-Website smartauthorshub.com, die mir gemeldet wurde, listet auf ihrer eigenen professionellen Kontaktseite eine @gmail.com-Adresse. Das entlarvt sie sofort.)

4. Übertriebenes Lob & Bestseller-Garantien

»Ihr Buch ist ein Meisterwerk.«

»Wir garantieren Ihnen einen Bestseller-Status.«

»Wir garantieren 50 5-Sterne-Reviews.«

Niemand kann Erfolg garantieren. Und das Kaufen von Reviews ist unethisch und verstößt gegen die AGB von Amazon. Das ist unseriös.

5. Fehlerhafte Sprache (Der »Kinderarbeit«-Fail)

Achtet auf seltsame Grammatik. Die Täter nutzen billige Übersetzungstools. Eine Mail, die mich erreicht hat, als ich um Credentials und Success Storys bat, enthüllte in den mitgelieferten Screenshots von angeblichen 5-Sterne-Reviews einen grandiosen Lacher: Betrüger wollten den Begriff »Schulberater« (School Counselor) übersetzen. Die KI machte daraus:

»Als schuldbemiddelaars met kinderarbeid…«

Das ist eine Mischung aus Niederländisch und Deutsch und bedeutet: »Als Schuldenberater mit Kinderarbeit…«. Das entlarvt die nicht-muttersprachlichen Callcenter sofort.

Scam-Bild

6. Die »Book Club«-Masche

Diese Masche ist besonders beliebt: Jemand gibt sich als Organisator eines (nicht existierenden) US-Buchclubs aus (z. B. »Florida Books & Brews«). Man will dein Buch vorstellen – aber bittet um eine »kleine Gebühr« oder »Beteiligung«, um die »Kosten des Clubs« zu decken.

Realität: Echte Buchclubs verlangen niemals Geld von Autoren. Das ist eine US-Fassade, die Täter sitzen (laut Zeitstempel der Mails) oft in einer völlig anderen Zeitzone.

7. Die Website-Fassade (»Alles-Anbieter«)

Die Websites der Betrüger (Namen klingen oft nach Authors Hub, Book Press, Writers Media) sehen auf den ersten Blick seriös aus. Aber sie bieten alles an: Lektorat, Veröffentlichung, Marketing, Social Media, PR, Anzeigenkampagnen und die Vertretung von Film- & Hörbuchrechten.

Warnung: Echte, seriöse Unternehmen sind spezialisiert. Eine Firma, die vorgibt, alles zu können, kann in Wahrheit nichts richtig.

Teil 3: So wehrt ihr euch – Euer Aktionsplan

Okay, die Betrugs-Mail ist in deinem Postfach. Was tust du jetzt?

WICHTIG: NICHT wütend antworten. Nicht diskutieren. Jede Antwort bestätigt nur, dass dein E-Mail-Konto aktiv ist. Du wirst als »Lead« markiert und bekommst nur noch mehr Spam.

Folge stattdessen diesem 3-Stufen-Plan:

Stufe 1: Sofortmaßnahmen (Persönliche Abwehr)

  1. NICHT ANTWORTEN. Niemals. Unter keinen Umständen.
  2. Als SPAM MARKIEREN. Klicke in deinem Mail-Programm (Gmail, Outlook etc.) auf »Spam melden«. Das trainiert die globalen Filter und hilft der gesamten Community.
  3. BLOCKIEREN. Absender blockieren und E-Mail löschen.

Stufe 2: Proaktive Verteidigung (Community-Abwehr)

Das ist der wichtigste Schritt, um euch aktiv zu wehren. Macht die Betrüger sichtbar! Diese Netzwerke leben davon, im Dunkeln zu operieren.

  1. International melden (Essenziell):
    Leite die komplette Betrugs-E-Mail (inklusive der Website-Links) an die internationalen Watchdog-Organisationen weiter. Sie sammeln diese Daten, erkennen Muster, veröffentlichen die Namen der Betrugsfirmen und warnen die globale Autorenschaft.
    1. Writer Beware® (von der SFWA): beware@sfwa.org
    1. The Authors Guild (USA): staff@authorsguild.org
  2. National (Deutschland) melden:
    1. Polizei (Online-Wache): Ja, wirklich. Auch wenn die Täter im Ausland sitzen. Es handelt sich um (versuchten) Betrug nach § 263 StGB. Eine Anzeige bei der Online-Wache deines Bundeslandes hilft den deutschen Behörden (BKA), das Ausmaß zu erfassen und ggf. auf internationaler Ebene (via Interpol) zu handeln. Eine Übersicht über die Portale der Bundesländer findet ihr hier: https://www.polizei.de/Polizei/DE/Einrichtungen/Onlinewache/onlinewache_node.html
    1. Verbraucherzentrale: Leite die E-Mail auch an die Verbraucherzentrale weiter. Sie sammeln solche Versuche auf ihrem »Phishing-Radar« und geben öffentliche Warnungen heraus.

Stufe 3: Was tun, wenn ihr bereits bezahlt habt?

Falls du oder ein Kollege bereits bezahlt habt: Handelt sofort.

  1. Kontaktiert unverzüglich eure Bank oder euren Kreditkarten-Anbieter.
  2. Erklärt, dass es sich um »Fraud« (Betrug) für eine nicht erbrachte/arglistig getäuschte Dienstleistung handelt.
  3. Beantragt eine Rückbuchung (»Chargeback«). Die Chancen sind bei Kreditkartenzahlungen am höchsten und oft erfolgreich.

Fazit: Vertraut auf die Goldene Regel

Diese Betrugsmaschen werden nicht aufhören. Sie werden durch KI (Künstliche Intelligenz) sogar noch besser, weil die E-Mails bald perfekt formuliert sein werden.

Aber das Grundprinzip ändert sich nie.

Deshalb vergesst niemals die Goldene Regel des Publizierens:

»Geld fließt IMMER zum Autor.«

Legitime Partner (Verlage, Agenten) investieren in dich, weil sie an dein Buch glauben. Sie verdienen Geld mit dir (durch Tantiemen), nicht von dir. Sobald jemand unaufgefordert Geld von dir will, damit dein Buch »entdeckt« wird, ist es ein Scam.

Seid skeptisch. Schützt euch. Und schützt die Community, indem ihr die Betrüger meldet.

Habt ihr auch schon solche Mails bekommen? Was waren die dreistesten Angebote oder die lustigsten Übersetzungsfehler? Teilt eure Erfahrungen (bitte keine anklickbaren Links!) in den Kommentaren.

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Helmut Barz – WortSupport

Dramatiker, Romancier, Vortragskünstler ebenso wie Texter und Übersetzer: Seit mehr als drei Jahrzehnten gehört meine Liebe dem Aneinanderreihen von Wörtern – eine Leidenschaft, die zum Beruf geworden ist. In diesem Blog versammele ich meine Expertise rund um das kreative Schreiben. 

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