Eine Liebeserklärung an den Semantikfehler
„Er spürt ein erneutes Gähnen in seiner Kehle aufsteigen, will es unterdrücken, doch wozu? Er gähnt lauthals, streckt räkelnd Arme und Beine von sich. So gut hat er schon lange nicht mehr geschlagen.“
Und, ist euch etwas aufgefallen?
Genau. Da mein Roman „Brumm!“ keine Dark Romance und auch keine Milieustudie über illegale Faustkämpfe ist, muss es an dieser Stelle selbstverständlich „geschlafen“ heißen. Aber mal ehrlich: Was für ein großartiger Fehler! Ein einziger vertauschter Buchstabe, und schon prügelt sich mein Protagonist ins Land der Träume, statt friedlich zu schlummern.
Willkommen in der wunderbaren Welt der Semantikfehler.
Der Feind, den dein Computer nicht kennt
Die gute Nachricht: Klassische Tippfehler sterben langsam aus. Jedes Schreibprogramm, jedes Smartphone unterstreicht sie gnadenlos rot. Doch der Semantikfehler ist der Ninja unter den Fehlern: Er bewegt sich lautlos, ist grammatisch und orthografisch unsichtbar und schlägt dann zu, wenn der Sinn des Satzes bereits k.o. am Boden liegt.
Ganz offiziell ist der Semantikfehler ein Bedeutungsfehler. Ein Wort wird verwendet, das zwar existiert und korrekt geschrieben ist, aber im Kontext eine völlig falsche oder absurde Bedeutung entfaltet. Die Rechtschreibprüfung? Zuckt mit den Schultern. Die Grammatik-KI? Zeigt den Daumen nach oben. Der Leser? Sitzt kopfschüttelnd vor dem Text.
Doch wie entstehen diese kleinen Biester? Schauen wir uns die Hauptverdächtigen einmal genauer an.
Ursache #1: Der klassische Vertipper – Ein Buchstabe, eine andere Welt
Die häufigste Ursache. Die Finger sind schneller als der Gedanke, ein einzelner Buchstabe verrutscht und schon entsteht ein neues, gültiges Wort. Das Ergebnis ist oft unfreiwillig komisch.
- Aus einer Liebesgeschichte: „Er war so verliebt, er hätte seine Frau auf Hunden tragen können.“ (Eine tierisch gute Idee, aber gemeint war wohl, sie auf Händen zu tragen.)
- Aus dem Gesundheitsratgeber: „Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schriften tun.“ (Die berühmte Schriftsteller-Diät. Gemeint waren natürlich tausend Schritte.)
- Aus dem Rezeptbuch: „Die Eier trennen und das Eiweiß steif schlagen. Eiter vorsichtig unter die Masse heben.“ (Eine Anweisung, die jeden Appetit im Keim erstickt. Gemeint war das Eigelb.)
Ursache #2: Die Wissenslücke – Wenn Wörter nicht das bedeuten, was man denkt
Manchmal liegt es schlicht daran, dass wir die genaue Bedeutung eines Wortes nicht kennen. Wir verwenden es, weil es klug klingt oder weil wir es irgendwo aufgeschnappt haben. Das führt zu stilistischen Perlen wie diesen:
- Der ignorierte Unterschied: „Er hat mich mit Ignoranz gestraft.“ (Das geht nicht. Man kann jemanden ignorieren, aber ihn nicht mit Unwissenheit (Ignoranz) strafen. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.)
- Der Botanik-Professor: „Professor Meier gilt als absolute Konifere auf seinem Gebiet.“ (Manche Professoren mögen etwas hölzern wirken, aber ein Nadelbaum ist er deswegen noch lange nicht. Eine Koryphäe wäre er gewesen.)
- Die tödliche Diagnose: „Als der Chef den Fehler entdeckte, bekam ich sofort Schnappatmung.“ (Hoffentlich nicht! Denn medizinisch gesprochen ist die Schnappatmung ist ein Symptom des Todeskampfes. Nach Luft zu schnappen oder zu hyperventilieren ist etwas völlig anderes.)
Ursache #3: Die Autokorrektur – Dein übereifriger digitaler Butler
Ah, die Autokorrektur. Sie meint es ja nur gut. Doch der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert – und mit Adverbien (aber das ist ein anderer Text). Sie verwandelt eine harmlose Nachricht in eine mittlere Katastrophe.
- Aus dem Büro-Chat: „Lasst uns morgen früh barnstormen, ich schicke euch die Agende.“ (Statt eines kreativen Brainstormings zu neuen Ideen wird zu einer akrobatischen Flugschau aufgerufen, und statt der Agenda (Tagesordnung) liegt ein liturgisches Buch bei.)
- Aus der SMS an den Partner: „Ich bin auf dem Heimweg, mein Schatz. Kauf schon mal die Leichen für das Abendessen.“ (Ein Abendessen, das man so schnell nicht vergisst. Gemeint waren wohl die Linsen.)
Warum ich diese Fehler trotzdem liebe
Zugegeben, in einem Geschäftsbericht oder einer wissenschaftlichen Arbeit haben solche Fehler nichts verloren. Aber abseits davon? Sind sie pures Comedy-Gold und – was noch wichtiger ist – sie rechtfertigen meine Existenz.
Kein Duden-Korrektor, kein Word-Algorithmus und nicht einmal eine KI wie LanguageTool findet diese Fehler zuverlässig. Sie prüfen stur die Rechtschreibung, aber den Sinn? Den Kontext? Die Plausibilität? Fehlanzeige.
Zur Ehrenrettung der großen Sprachmodelle (LLMs) wie ChatGPT sei gesagt: Konfrontiert man sie direkt mit einem Semantikfehler, erkennen sie ihn meistens. Das Problem ist nur: Es gibt noch keine Funktion, kein LLM-Tool, mit der man ein ganzes Dokument zuverlässig auf nur diese Fehler scannen kann. Die KI neigt dazu, im Eifer des Gefechts gleich alles nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip umzuschreiben – und plötzlich klingt Ihr Text wie von Hemingway lektoriert. Danke, aber nein danke.
Semantikfehler zu finden, erfordert Weltwissen, Kontextverständnis und eine Prise Humor. Es braucht einen Menschen, der stutzt, wenn in einem Restaurantführer steht: „Wir haben unsere Gäste fürstlich bewertet.“ Denn Gäste werden bewirtet, nicht benotet.
Kurzum: Der Mensch macht den Unterschied
Semantikfehler sind die heimlichen Stars der Fehlerwelt. Sie zeigen uns, wie unglaublich komplex und wunderbar Sprache ist. Und sie beweisen, dass der menschliche Verstand – zumindest vorerst – unersetzlich ist, wenn es um die feinen Nuancen geht.
Wenn ihr also sicherstellen wollt, dass eure Texte nicht zur unfreiwilligen Lachnummer werden, dann braucht ihr einen menschlichen Partner. Einen, der mitdenkt.
Also, packen wir es an! Ab sofort habe ich wieder Kapazitäten für neue Projekte frei. Zwanzig Jahre Erfahrung im Aufspüren semantischer Ninjas warten auf euren Text. Und ich verspreche: Ich werde jeden einzelnen Satz lesen, ohne dabei einzuschlagen. Äh, einzuschlafen.








