Dein Text ist grün?

Warum die Rechtschreibprüfung trügt (und was sie übersieht)

Du hast gerade den letzten Punkt unter deinen Blogartikel, deine Masterarbeit oder das entscheidende Angebot gesetzt. Ein Meisterwerk! Vorsichtshalber – man ist ja Profi – lässt du noch einmal die automatische Rechtschreib- und Grammatikprüfung über den Text laufen. Ein paar rote Wellenlinien hier, ein paar blaue da. Klick, klick, klick. Alles grün. Puh. Du lehnst dich zufrieden zurück. Fertig.

Aber ist der Text deshalb wirklich fehlerfrei? Vermutlich nicht. Sich allein auf die digitale Schulterklopfer-Funktion unserer Schreibprogramme zu verlassen, ist so, als würde man seinen Haustürschlüssel unter die Fußmatte legen und glauben, man hätte eine Festung gebaut.

Die Rechtschreibprüfung ist ein nützliches Werkzeug, keine Frage. Sie ist der grobschlächtige Türsteher, der die offensichtlich Betrunkenen abweist. Aber die cleveren Unruhestifter, die im schicken Anzug und mit höflichen Manieren daherkommen, die lässt er anstandslos durch.

Schauen wir uns also mal die häufigsten Fehler an, bei denen dein digitales Korrektur-Helferlein fröhlich winkend im Abseits steht.

Fehler #1: Der böse Zwilling – Homophone und Co.

Das ist der Klassiker, der selbst erfahrene Schreiber immer wieder ins Stolpern bringt. Homophone sind Wörter, die gleich oder ähnlich klingen, aber etwas völlig anderes bedeuten und oft auch anders geschrieben werden. Die Rechtschreibprüfung erkennt sie nicht als Fehler, denn jedes Wort für sich ist ja korrekt.

  • das vs. dass: Der unangefochtene Champion. „Ich glaube, das du das schaffst“ ist für die Software völlig in Ordnung. Jedes Wort ist richtig geschrieben. Dass der Satzbau weint, hört sie nicht. (Falls du selbst manchmal unsicher bist, hier eine Eselsbrücke).
  • seid vs. seit: „Seit ihr fertig?“ – Autsch. Die Prüfung zuckt nicht mal mit der Wimper.
  • wieder vs. wider: „Ich will mein Geld wiederhaben!“ ist korrekt. „Ich handle wider Willen“ auch. Aber was ist, wenn die Software diesen Satz abnickt: „Die glatte Wasseroberfläche spiegelt den Himmel wieder“? Grammatikalisch ist der Satz in Ordnung, nur inhaltlich falsch. Es müsste natürlich widerspiegeln heißen.

Fehler #2: Die Launen der Groß- und Kleinschreibung

Zugegeben, die deutsche Sprache macht es uns hier nicht immer leicht. Besonders bei nominalisierten Verben oder Adjektiven geraten nicht nur wir, sondern auch die Algorithmen ins Schleudern.

  • Sprachen und Adjektive: „Ich lerne gerade deutsch“ wird von vielen Programmen nicht angestrichen. Dabei ist die Sprache Deutsch ein Substantiv und muss großgeschrieben werden.
  • Das Beste/am besten: „Das hilft am besten“ (kleingeschrieben, da Adverb). „Das ist das Beste für dich“ (großgeschrieben, da Substantivierung). Ein Satz wie „Am besten du gehst jetzt“ ist eine gängige Verkürzung von „Es ist am besten…“ und daher knifflig. Viele Programme erkennen den Fehler in „Am Besten du gehst jetzt“ nicht zuverlässig.

Fehler #3: Semantischer Unsinn

Hier wird es philosophisch. Die Software prüft auf Basis von Regeln und Mustern, sie versteht aber nicht, was du schreibst. Solange die Grammatik stimmt und die Wörter im Duden stehen, ist für sie die Welt in Ordnung.

Ein Satz wie „Die grüne Freiheit schläft wütend“ ist grammatikalisch einwandfrei. Er ist auch anerkannte Poesie (Noam Chomsky lässt grüßen), aber in deinem Geschäftsbericht vermutlich fehl am Platz. Die Software wird dir nicht sagen: „Du, der Satz ergibt vorne und hinten keinen Sinn.“ Sie nickt ihn ab.

Fehler #4: Das lebensrettende Komma

Ah, die Zeichensetzung. Ein Quell ewiger Freude. Während moderne Programme schon ganz gut darin geworden sind, fehlende Kommas bei einfachen Aufzählungen oder kurzen Nebensätzen zu erkennen, versagen sie bei komplexeren Strukturen kläglich.

Das klassische Beispiel darf hier nicht fehlen:

  • „Komm, wir essen, Opa!“
  • „Komm, wir essen Opa!“

Beide Sätze sind für die Software oft valide. Welcher von beiden Opa das Überleben sichert, ist dem Programm herzlich egal. Es kennt weder familiäre Bande noch kulinarische Tabus.

Fehler #5: Stilistische Gräber

Das ist die Königsdisziplin, in der die Software komplett aussteigt. Ein Text kann technisch fehlerfrei und trotzdem eine Katastrophe sein.

  • Wortwiederholungen: Wenn du einen Text schreibst und in diesem Text fünfmal das Wort „Text“ in einem Absatz vorkommt, ist das kein Fehler. Aber es ist verdammt schlechter Stil.
  • Bandwurmsätze: Ein Satz, der sich – so wie dieser hier, der einfach kein Ende finden will und immer weiter neue Informationen in sich hineinstopft, ohne dem Leser eine Atempause zu gönnen – über fünf Zeilen erstreckt, ist grammatikalisch vielleicht korrekt, aber eine Zumutung für jeden, der ihn lesen muss.
  • Falsche Tonalität: Die Software weiß nicht, ob du einen lockeren Blogartikel oder ein juristisches Gutachten schreibst. Sie korrigiert „Scheißjob“ nicht zu „wenig zufriedenstellende Anstellung“, wenn der Kontext es erfordert.

Kurzum: Die Maschine ist nur ein Werkzeug

Die automatische Korrektur ist dein Metalldetektor. Er piept bei den großen, offensichtlichen Metallteilen. Aber die feinen Goldadern, die stilistischen Nuancen und die tief vergrabenen logischen Fehler, die übersieht er. Er gibt dir eine trügerische Sicherheit, die im besten Fall unprofessionell wirkt und im schlimmsten Fall den Inhalt deines Textes entstellt.

Genau diese Lücke füllt ein menschlicher, professioneller Korrektor. Jemand, der nicht nur Regeln abgleicht, sondern den Sinn versteht. Jemand wie ich zum Beispiel.

Und falls du gerade an etwas Wichtigem feilst: Ab Oktober habe ich wieder ein paar freie Slots für neue Projekte. Melde dich gern!

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Helmut Barz – WortSupport

Dramatiker, Romancier, Vortragskünstler ebenso wie Texter und Übersetzer: Seit mehr als drei Jahrzehnten gehört meine Liebe dem Aneinanderreihen von Wörtern – eine Leidenschaft, die zum Beruf geworden ist. In diesem Blog versammele ich meine Expertise rund um das kreative Schreiben. 

Ihr habt Fragen, die ich hier beantworten soll? Schreibt sie in die Kommentare, nutzt das Kontaktformular oder schickt mir eine Mail: helmut@writing-rules.com.

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